Mensch, Natur, Einklang: 30 Jahre UNESCO-Biosphärenreservat Rhön (2021)

Am 6. März 1991 ist die Drei-Länder-Rhön von der UNESCO als Biosphärenreservat geadelt worden. Das Jubiläumsjahr 2021 haben die drei Verwaltungen in Bayern, Hessen und Thüringen, der Verein Natur- und Lebensraum Rhön e. V. und der Verein Naturpark & Biosphärenreservat Bayerische Rhön e. V. sowie ihre zahlreichen Partner unter dem Motto "Mensch. Natur. Einklang." gefeiert. 

 

Der Weg zum Biosphärenreservat

Ende der 80er-Jahre nutzten in der DDR Naturschützer die Gunst der Stunde und gaben den Anstoß zu einer weitsichtigen Weichenstellung. Zahlreiche wertvolle Naturräume wurden unter Schutz gestellt und damit gesichert, darunter die Thüringische Rhön als Landschaftsschutzgebiet. Mit der Verabschiedung des Nationalparkprogramms wurde der Thüringer Teil am 12. September 1990 in der letzten Volkskammersitzung zum Biosphärenreservat Rhön erklärt. Dieses „Tafelsilber des Ostens“ brachte die DDR am 3. Oktober 1990 bei der Wiedervereinigung als Mitgift ein.

Bereits im Winter 1990/91, also unmittelbar nach der friedlichen Revolution und Wiedervereinigung, stellten die drei Länder Bayern, Hessen und Thüringen dann separate Anträge auf Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat. Der damalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer machte daraus einen gemeinsamen Antrag. Mit Erfolg: Am 6. März 1991 wurde die Drei-Länder-Rhön von der UNESCO zum Biosphärenreservat geadelt.

Viele kleine Schritte

In Bayern, Hessen und Thüringen entstanden Biosphärenreservatsverwaltungen, die auf Basis eines gemeinsamen Abkommens der drei Länder seit November 2002 länderübergreifend zusammenarbeiten. Vereinsgründungen wurden vorangetrieben, wie beispielsweise die des Vereins Natur- und Lebensraum Rhön e. V. für die nachhaltige Regionalentwicklung in der Hessischen Rhön und die des Landschaftspflegeverbands BR Thüringische Rhön e. V. für die Landschaftspflege und den Artenschutz in der Thüringer Rhön. Der Verein Naturpark und Biosphärenreservat Bayerische Rhön e. V. erhielt den Umweltbildungsauftrag des Bayerischen Umweltministeriums und baute Umweltbildungsteams und Bildungsangebote auf.

Parallel begannen Expert*innen mit der Ausarbeitung eines Rahmenkonzepts. Dessen Ziel war und sind der Schutz, die Pflege und die Entwicklung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön. Dieses erste im April 1995 übergebene Rahmenkonzept war die Grundlage aller Planungen und Maßnahmen. Im Geiste des Grundsatzes „Der Mensch und die Biosphäre“ wurden seitdem das Zonierungskonzept sowie zahllose Projekte umgesetzt, was dem UNESCO-Biosphärenreservat Rhön wachsende Anerkennung einbrachte – bei der heimischen Bevölkerung, aber auch auf nationaler und internationaler Ebene.

Erweiterung und Sternenpark

Das Jahr 2014 erwies sich als Meilenstein. Im Juni unterzog sich das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön erfolgreich der zweiten Überprüfung seiner bisherigen Arbeit (Evaluierung) durch den Internationalen Koordinierungsrat. Daraufhin wurde der UNESCO-Status für weitere 10 Jahre bestätigt – ein klarer Vertrauensbeweis. Gleichzeitig gab das Gremium grünes Licht für eine erhebliche Erweiterung: Im Bayerischen Teil des UNESCO-Biosphärenreservats wurden weitere 58.000 Hektar Fläche eingebracht. Seitdem gehören in den unterfränkischen Landkreisen Bad Kissingen und Rhön Grabfeld weitere 22 Gemeinden dazu. 

Ein weiterer Höhepunkt 2014 war die internationale Anerkennung des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön als Sternenpark. Rhöner Gemeinden, Biosphärenreservatsverwaltungen und Landkreise bekannten sich mit dem Antrag und der erfolgten Auszeichnung aktiv zum Schutz der vorhandenen natürlichen Nachtlandschaften.

Neues Leitbild

Fast 20 Jahre nach der Erstellung des ersten Rahmenkonzeptes war nach der erfolgreichen Erweiterung am 12. Juni 2014 eine inhaltliche Überarbeitung gemeinsam mit den in der Rhön lebenden und arbeitenden Menschen und Akteuren notwendig. Von 2014 bis 2017 nahmen daher unter Federführung der drei Verwaltungen mehr als 300 Akteure in einem beispielhaften Beteiligungsprozess an der Weiterentwicklung teil. Ergebnis: Das im Jahr 2018 übergebene neue Rahmenkonzept mit insgesamt 66 Projektideen, die es künftig umzusetzen gilt. 

Das UNESCO-Biosphärenreservat im Jahr 2021

Schutz der Natur und der Kulturlandschaft, Forschung und Monitoring, nachhaltige (Regional-)entwicklung, Bildung und Kommunikation: Die Ziele und somit die Aufgabenfelder im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön sind vielfältig. Der Klimawandel, aber auch gesellschaftliche Veränderungen stellen die Verwaltungen und ihre Partner heute vor ganz neue Herausforderungen. Die drei VerwaltungsstellenleiterInnen Ulrike Schade (Thüringen), Torsten Raab (Hessen) und Michael Geier (Bayern) geben Antworten auf die wichtigsten Fragen. 

Ulrike Schade: Wir haben in den letzten 30 Jahren eine Balance zwischen Mensch und Biosphäre gefunden, die sich im Vergleich zu Bereichen außerhalb des UNESCO-Biosphärenreservat Rhön sehen lassen kann. Mit zahlreichen Aktionen zum Schutz der Biodiversität, Forschung und Monitoring, aber auch Förderungen von nachhaltigen Wirtschaftsweisen im Tourismus, der kommunalen Entwicklung etc. sind wichtige Schritte getan worden, die den hier lebenden Menschen in der historischen Kulturlandschaft zugute kamen und kommen. Ein absoluter wichtiger Ansatz, der auch in der Zukunft weiter ausgebaut wird, ist der Bildungsbereich für nachhaltige Entwicklung. Hier gibt es seit einigen Jahren den neuen Ansatz, direkt vor Ort PädagogInnen in Kitas und Schulen mit Informationen, Aktionen und Bildungspakten zur nachhaltigen Entwicklung zu schulen, so dass es einen Multiplikationseffekt in der Rhön gibt.

Torsten Raab: Es ist uns gelungen, die Rhön in den letzten 30 Jahren als Biosphärenreservat in Deutschland und der ganzen Welt bekannt zu machen. Mit zahlreichen Projekten in den Bereichen Naturschutz, Regionalentwicklung und Tourismus hat man früh begonnen, eine nachhaltige Entwicklung der Region anzustoßen und auf allen Ebenen qualitätsvolle Produkte zu entwickeln. Das Rhönschaf, die Rhöner Apfelinitiative, der Rotmilan, das Birkhuhn und der Sternenpark sind beispielhafte, besondere Markenzeichen und gleichzeitig identitätsstiftende, nachhaltige Projekte, mit denen es gelungen ist, viele Rhöner Akteure zu motivieren, sich für den Erhalt und die Entwicklung dieser Landschaft einzusetzen. Der HOCHRHÖNER, die Extratouren, die Dachmarke Rhön, die Junior-Ranger, das Grüne Band und die Rhöner Bergwiesen sind weitere Highlights, auf die man stolz sein kann und darf.

Michael Geier: Die Bayerische Rhön ist heute Spitzenreiter im Vertragsnaturschutz in Bayern – das ist ein Erfolg. Außerdem erleben wir ein völlig entspanntes Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft. Weitere wichtige Ergebnisse der vergangenen 30 Jahre sind eine breite Palette regionaler Qualitätsprodukte – zum Beispiel eine ganze Reihe landesweit und international hoch prämierter Edelbrenner –, eine dichte und lebendige Bildungslandschaft für nachhaltige Entwicklung, ein hohes Interesse an der Auszeichnung als Biosphären-Schulen oder -Kita, die große Biosphärenreservat-Erweiterung auf Bayerischer Seite und eine große Kernzonenausweisung unter Beteiligung der Kommunen.

Ulrike Schade: Das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön ist das Alleinstellungsmerkmal der Region – der internationale Titel mit dieser umfassenden Idee „Mensch und Biosphäre im Einklang“!

Torsten Raab: Das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön gehört inzwischen zum Selbstverständnis der Menschen, die stolz auf ihre Region und Heimat sind. Das Biosphärenreservat steht für eine moderne, nachhaltige Entwicklung mit und für die Menschen der Rhön. Vom Armenhaus Deutschlands zur begehrten Zukunftsregion!

Michael Geier: Das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön ist die wichtigste Klammer zwischen den drei Ländern Bayern, Hessen und Thüringen und identitätsstiftend für alle Rhöner.

(alle): Wir bemerken, dass viele Rhönerinnen und Rhöner ihre Heimat und die Natur wiederentdecken. Die Natur bietet in dieser schwierigen Zeit die Möglichkeit, eine Auszeit zu nehmen. Allerdings bringt der seit dem vergangenen Sommer gestiegene Besucherdruck in unseren Schutzgebieten neue Herausforderungen für eine umwelt- und naturverträgliche Besucherlenkung mit sich. 

Wie viele andere arbeiten wir seit der Corona-Pandemie als Verwaltung verstärkt digital. Das ist am Ende oft ermüdend – bringt uns an manchen Stellen allerdings mit den anderen Verwaltungen und Trägervereinen näher zusammen. Wo vorher eine längere Anreise nötig war, wird heute schnell eine Videokonferenz einberufen. Das vereinfacht die länderübergreifende Zusammenarbeit; das verstärkte digitale Arbeiten wird auch sicher nachhaltig Bestand haben.

Digital ist allerdings nicht die Lösung für alles: Unsere Arbeit im Bereich Umweltbildung zum Beispiel ist massiv eingeschränkt. Natur und Nachhaltigkeit vermitteln geht nicht vor dem Bildschirm! Es besteht die Gefahr, dass wichtige Bildungspartner diese Zeit nicht überstehen werden – dasselbe gilt für unsere Partner aus dem Bereich Tourismus und Gastronomie. Wir als Verwaltungen und auch der Verein Natur- und Lebensraum Rhön wollen deshalb so gut es geht unterstützen und mit den Leistungsträgern zum Beispiel Formate wie die Rhönschaf-Genießerwochen, die Sternenparkwochen und die in diesem Jahr erstmals geplanten Biosphärenwochen aufrechterhalten und weiterentwickeln (sobald es die Situation wieder zulässt).

Ulrike Schade: Der Schutz der Biodiversität mit all den Herausforderungen des Klimawandels, Klimaschutz und Förderung weiterer „nachhaltiger“ Wirtschaftsweisen und das Entgegenwirken zum demografischen Wandel und Fachkräftemangel – die Rhön also als lebenswerte Region zu erhalten. 

Torsten Raab: Der Schutz der heute schon seltenen Tiere, Pflanzen und Lebensräume der Rhön und damit verbunden der Erhalt der Biodiversität, der Erhalt einer eigenen Rhöner Identität mit Sprache, Kultur und typischen Dorfstrukturen und das Finden passender Antworten auf Fragen der Mobilität und Energieerzeugung in der Rhön.

Michael Geier: Die Lupinen auf der Hochrhön, der Klimawandel und die Anpassung daran und der Besucherdruck auf die Hotspots.

Biosphärenreservat – das sind wir!

 

"Mensch. Natur. Einklang." – das ist unser Jubiläumsmotto. Gemäß dem Programm "Man and Biosphere" (MAB) stehen im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön Natur und Mensch gleichermaßen im Fokus. Naturschutz, Forschung, Landwirtschaft, Bildung – im Biosphärenreservat arbeiten Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen eng vernetzt zusammen.