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Biosphärenreservat Rhön
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Endlich wieder freigestellt: Die Linden von Wüstensachsen

Lange Zeit von Dickicht und dornigem Gestrüpp umgeben, kommen sie jetzt endlich wieder voll zur Geltung: die 400 Jahre alten Lindenbäume bei den Ritterhöfen in Wüstensachsen. Die einst zu einer prächtigen Allee gehörenden Bäume stehen seit 1936 unter Naturschutz und wurden jetzt mit Mitteln aus dem LIFE-Projekt „Hessische Rhön“ freigestellt.

Die 400 Jahre alten Linden am Ritterhof in Wüstensachsen wurden großflächig von Gestrüpp befreit / Foto: Nadja Moalem
LIFE-Projektleiter Elmar Herget vor der dicksten der vier verbliebenen Linden bei den Ritterhöfen / Foto: Nadja Moalem

Die Lindenstraße in Wüstensachsen trägt nicht zufällig diesen Namen. Folgt man der Straße weiter Richtung Abenteuerspielplatz „Roter Rain“ und noch etwas weiter hinauf in Richtung des Ritterhofes, stehen rechts des geschotterten Weges vier mächtige Bäume, die noch aus einer anderen Zeit zu stammen scheinen. Sie sind die Überbleibsel einer Allee, die im Mittelalter als direkte Verbindung vom Wüstensachsener Schloss, nahe der Kirche, zu den Ritterhöfen führte. Nach Flurbereinigungen und einer Umlegung des Weges in den 1920er Jahren ist die alte Allee quasi verschwunden. Lediglich elf Bäume blieben stehen. Von diesen haben bis heute nur noch vier dem „Zahn der Zeit“ Stand gehalten. Der mächtigste hat fast acht Meter Stammumfang und ist ein echter Baumriese.

Noch bis in die 1970er Jahre hinein diente die Fläche, auf denen die Linden stehen, als Viehtrift. In den besten Zeiten trieb ein Kuhhirte täglich 300 bis 400 Tiere vom Dorf über die Trift zu den höhergelegenen Weiden zwischen Steinkopf und Stirnberg. Mit dem Aufgeben dieser landwirtschaftlichen Nutzung begann die Trift immer stärker zuzuwachsen und zu verbuschen. „Zuletzt sah das hier mehr wie in einem Wald aus, die wunderschönen alten Linden hat man eigentlich gar nicht mehr wahrgenommen“, erinnert sich Kerstin Seegräber von der Tourist-Information Ehrenberg. Die Gemeinde hatte sich immer wieder – zuletzt 2018 – bemüht, die Trift offen zu halten, aber das Budget war klein und der Wildwuchs groß.

Landschaftspflege im Dienst der Artenvielfalt

Unerwartete Unterstützung kam jetzt vom LIFE-Projekt „Hessische Rhön“ (UNESCO-Biosphärenreservat Rhön), das die Trift bei Wüstensachsen aus ganz anderen Gründen im Fokus hatte. Die ehemals landwirtschaftlich genutzte Fläche soll wieder zu einem beweideten Offenlandlebensraum für bedrohte Vogelarten wie Neuntöter und Raubwürger werden. Dafür wurde zunächst großflächig Gehölz entfernt. „Als nächstes wollen wir hier eine Beweidung mit Ziegen etablieren, die die neuen Triebe wegbeißen“, erklärt Projektmanager Elmar Herget.

Im Lauf der nächsten zwei bis drei Jahre soll sich hier wieder eine artenreiche Weide entwickeln und eine Heimat für seltene Tiere und Pflanzen entstehen. „Dass wir mit der Naturschutzmaßnahme auch der Gemeinde einen Dienst erwiesen haben, freut uns umso mehr. Das zeigt, dass vom LIFE-Projekt letztlich alle profitieren.“ Die Gemeinde Ehrenberg plant für die Zukunft, die Linden für Besucher erlebbar zu machen. „Wir möchten hier gerne eine Infotafel und eventuell eine Sitzgelegenheit aufstellen“, kündigt Seegräber an.

Erhaben stehen sie da, dick und mächtig, die Jahrhunderte überdauert – die Linden von Wüstensachsen lassen einen Menschen ganz klein und unbedeutend erscheinen. Sie sind wahrlich einen Besuch wert. Zum Innehalten, Staunen, Horchen. Was würden sie alles erzählen, wenn sie sprechen könnten?

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