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Biosphärenreservat Rhön
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Sag‘ mir, wo die Braunkehlchen sind – Seltener Rhöner Bergwiesenbewohner ist Vogel des Jahres 2023

Früher in der Rhön ein häufig anzutreffender Bewohner, ist es bei uns inzwischen beinahe schon aus seinen angestammten Lebensräumen verschwunden: das Braunkehlchen (Saxicola rubetra). Mit der Wahl zum Vogel des Jahres 2023 macht der NABU ein Jahr lang auf den sensiblen Wiesenbrüter und seine Gefährdung aufmerksam. Auch wir möchten den hübschen Vogel mit der braunen Brust und dem markanten Streifen über den Augen die Ehre erweisen und ihn hier etwas näher vorstellen.

Aufgrund des weißen Streifens über dem Auge wird das Braunkehlchen auch Wiesenclown bezeichnet. Foto: AGAMI photo agency/Ralph Martin - stock.adobe.com
Zaunpfähle und -pfosten nutzt das Braunkehlchen mit Vorliebe als Ansitzwarte. Foto: Felix Bayer
Maßnahme im LIFE-Projekt „Rhöner Bergwiesen“: Schilder informieren, unter anderem auf der Wasserkuppe, warum es für den Schutz von Bodenbrütern wichtig ist, Wanderwege nicht zu verlassen. Foto: Torsten Raab

Dem Braunkehlchen wird der Titel Vogel des Jahres in Abwesenheit verliehen – es ist ein Langstreckenzieher und bereits im September nach Süden aufgebrochen. Der kleine Singvogel verbringt den Winter mehr als 5000 Kilometer von Deutschland entfernt südlich der Sahara. Im April kommt es wieder zu uns zurück. Hier angekommen, sucht es blütenreiche, oft feuchte Wiesen und Brachen, um seine Nester gut versteckt zwischen Grashalmen auf dem Boden zu bauen. Doch Wiesen, die genug Nahrung und Verstecke bieten, werden auch in der Rhön immer seltener. Vielerorts verwandelt eine immer intensivere Landnutzung einst extensiv genutztes Grünland in arten- und blütenarme Graslandschaften, in denen kein Vogelkind überleben kann. Der Mäher kommt meist mehrmals pro Jahr –  oft schon so früh, dass Blühpflanzen gar nicht erst die Samenreife erreichen. Die Wiese wird immer eintöniger und uninteressanter für Insekten, die wichtigste Nahrungsquelle der Vögel. Düngung und der Einsatz von Pestiziden tun ihr Übriges. Auch werden oft Gelege zerstört, bevor die Jungen flügge werden –  beispielsweise, wenn beim Wandern oder Radfahren die Wege verlassen werden oder freilaufende Hunde durch Brutgebiete jagen. 

Es zeigt sich: Einmal verschwunden, ist es schwer den Vogel wieder davon zu überzeugen zu bleiben und eine Familie zu gründen. Der Bestand ist in den letzten 30 Jahren dramatisch eingebrochen. Auf hessischer Seite wird aktuell nur noch von zwei bis drei Brutpaaren ausgegangen, in Thüringen ist es mit fünf bis sechs Paaren etwas besser. Bayern hat mit etwa 15 bis 20 Paaren noch den größten Bestand zu verzeichnen.

Maßnahmen zum Schutz und Erhalt

Länderübergreifend wird im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön alles versucht, um dem Braunkehlchen-Bestand langfristig zu stabilisieren. Das Braunkehlchen ist eine sogenannte Zielart im Biosphärenreservat. Ausgewählte Zielarten werden durch konkrete Erhaltungsmaßnahmen gefördert, da diese Arten stellvertretend für gesamte Lebensgemeinschaften und ein intaktes Ökosystem stehen. „In Bayern haben wir im vergangenen Jahr im Naturschutzgebiet Lange Rhön 44 Flächen mit rund 3000 künstlichen Ansitzwarten und 300 Markierungspfählen bestückt“, berichtet Naturpark-Ranger Daniel Scheffler. Auf hessischer Seite wird im LIFE-Projekt „Rhöner Bergwiesen“ der Lebensraum für das Braunkehlchen und weitere bedrohte Arten verbessert, indem artenreiche Wiesen neugeschaffen und weiterentwickelt, auf extensive Nutzung umgestellt und Schonflächen sowie künstliche Sitzwarten eingerichtet werden. Schilder sensibilisieren Wanderinnen und Wanderer, sich – nicht nur während der störungsempfindlichen Brutzeit – rücksichtsvoll zu verhalten und sich in den Schutzgebieten an das Wegegebot zu halten. Im Thüringer Teil des Biosphärenreservats läuft seit 2021 das Naturschutzgroßprojekt Thüringer Kuppenrhön, in dem unter anderem verloren gegangene Offenlandbereiche wiederhergestellt und diese wertvollen Lebensräume vernetzt werden sollen.

Lohnt sich der Aufwand für einen so seltenen Vogel, könnte man sich fragen. Die Antwort lautet ganz klar: Ja! Denn von den Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung profitieren auch allen anderen Arten, die dieselben Ansprüche haben. Jede Art übernimmt eine wichtige Funktion in ihrem jeweiligen Ökosystem, und ihr Aussterben hätte ungeahnte Folgen für andere Arten in der Nahrungskette. Auch Feldlerche, Wiesenpieper, Wachtel und Bekassine sind Wiesenbrüter, die früher in der Rhön weit verbreitet waren und für deren Fortbestand das Biosphärenreservat als Modellregion für nachhaltige Entwicklung eine besondere Verantwortung trägt. Zum Schutz und Erhalt der bedrohten Arten können alle beitragen: Grundbesitzer*innen und Bewirtschafter*innen ebenso wie Tourist*innen und Ausflügler*innen.

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