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Biosphärenreservat Rhön
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LIFE-Projektmaßnahmen waren "Rettung in letzter Minute" für die artenreiche Melpertser Hute

Unzählige Male ist Annika Hennemuth im vergangenen Jahr die steile und teilweise unbefestigte Grubenstraße von Melperts hinaufgefahren. Diese war vor etwa hundert Jahren gebaut worden, um am Lettengraben geförderte Braunkohle nach Wüstensachsen zum Bahnhof zu transportieren. Das Interesse der Mitarbeiterin des LIFE-Projekts „Hessische Rhön – Berggrünland, Hutungen und ihre Vögel“ galt aber ganz anderen „Bodenschätzen“: nämlich den Weideflächen und ihren besonderen Tieren und Pflanzen.

Positive Zwischenbilanz im LIFE-Projekt auf den Hutungen der Hessischen Rhön (von links): Weidewart Winfried Schiffhauer, Bürgermeister Peter Kirchner, Projektmanager Elmar Herget, Projektmitarbeiterin Annika Hennemuth und Beigeordneter Hubert Hocke. Foto: Sandra Limpert
Die Melpertser Hute ist mit ihrem Struktur- und Artenreichtum ein besonderer Schatz. Foto: Annika Hennemuth
Bedrohten Vogelarten wie dem Neuntöter sollen im Rahmen des LIFE-Projekts Lebensräume erschaffen und erhalten werden. Foto: Heidelinde Witzmann
Die Melpertser Hute vor der Entbuschung. Foto: Annika Hennemuth
Die Melpertser Hute nach der Entbuschung. Foto: Annika Hennemuth
Knabenkraut auf der Melpertser Hute. Foto: Annika Hennemuth

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Kristine Schmitt hatte die Natura-2000-Sachbearbeiterin beim UNESCO-Biosphärenreservat Rhön Geländeerhebungen der 63 Hektar großen Hute erstellt und die Verbuschungsstadien mit GPS und Outdoor-Tablets aufgenommen. Das Ergebnis war alarmierend: „Noch fünf bis zehn Jahre, dann wäre die Fläche wegen zwischenzeitlicher Unternutzung komplett zugewuchert gewesen“, schätzt Winfried Schiffhauer, der für die sechs Landwirte zählende Melpertser Weidegemeinschaft als ehrenamtlicher Weidewart fungiert. Diese Daten wurden an das Unternehmen, das von Januar bis März die Entbuschungen durchführte, weitergegeben.

„Wir haben bewusst keinen kompletten Kahlschlag durchgeführt“, betont Annika Hennemuth. Ziel des Projekts ist es unter anderem, durch Flächenoptimierung auf den Hutungen spezielle Habitate für bedrohte Vogelarten der Rhön wiederherzustellen beziehungsweise zu erhalten und zu verbessern. „Ausgewählte Strukturelemente sollten als Nahrungsquelle für Vögel – wie den gefährdeten Neuntöter, der hier noch in einer außergewöhnlichen Dichte vorkommt – und als Unterstände für die Weidetiere erhalten bleiben.“

Heimat für Wollgräser und Wiesenpieper

Das Offenland der Melpertser Hute, die in einer Höhenlage zwischen 600 und 770 Metern eine Vielzahl kleinflächiger Lebensraumstrukturen aufweist, bietet beispielsweise seltenen Pflanzen wie Sumpf-Stendelwurz, Sumpf-Herzblatt, zweierlei Wollgräsern und Orchideen sowie bedrohten Vogelarten wie dem Wiesenpieper eine Heimat. 46 Quellen hat der Forscher Stefan Zaenker kartiert, hinzukommen der Röhlichsgraben, kalkreiche Niedermoorflächen, Steinriegel und Blockschutthalden als weitere Biotope. „Ich bin zuversichtlich, dass die Melpertser Hute vom Artenreichtum der Langen Rhön profitieren kann und sich künftig auch Arten von dort – wie die Bekassine – hier niederlassen“, prognostiziert Projektmanager Elmar Herget.

Der Gesamtkomplex der 322 Hektar umfassenden Ehrenberger Flächen, wie er sich durch die jahrzehntelange extensive Beweidung entwickelt hat, ist im Landkreis Fulda einmalig und naturschutzfachlich sehr wertvoll. Mit der Reulbacher Hute, die als einzige der fünf Gemeinde-Hutungen auf westlicher Seite des Gemeindegebietes liegt, startete das Maßnahmenpaket bereits im Herbst 2019. Nach der Melpertser Hute wird nun die nördlich angrenzende Seifertser Hute in den Blick genommen.

Landwirte sind unentbehrliche Partner

 Doch nicht nur für den Naturschutz ist der Erhalt der Hutungen relevant. Die ausgedehnten Flächen mit bunten Wiesenblumen, grasenden Rindern und mächtigen Steinwällen vor der Kulisse der Wasserkuppe bieten zugleich eine Augenweide. „Wir wollen Wanderwelt Nummer 1 werden. Die Huteflächen stellen für uns ein Alleinstellungsmerkmal dar“, betont der Melpertser Hubert Hocke, der Naturschutzwart für den Rhönklub im Ulstertal ist und sich als stellvertretender Ehrenberger Bürgermeister von Anfang an für das LIFE-Projekt starkgemacht hat. So gehört die Ausweisung einer Extratour rund um das Thema „Hutungen“ zu den Zielen des LIFE-Projekts im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön.

Ehrenbergs Bürgermeister Peter Kirchner und Weidewart Winfried Schiffhauer danken dem LIFE-Team dafür, durch die professionell durchgeführten Entbuschungsarbeiten „den Stein ins Rollen gebracht zu haben“. Auch die zahlreichen Vorgespräche mit Landwirten und Gemeindevertretern seien hilfreich gewesen, so Kirchner. Um die Nachhaltigkeit zu sichern, sieht Elmar Herget die Landwirte als unentbehrliche Partner. Die Beweidung nicht nur durch Rinder, sondern auch durch Ziegen sei erforderlich, damit die Schlehen- und Weißdornsträucher nicht wieder überhandnähmen. Es sei daher ein Glücksfall, dass zur Melpertser Weidegemeinschaft auch ein Ziegenhalter gehöre.

1949 ist der Braunkohleabbau wegen Unrentabilität eingestellt worden, die Grubenstraße wird heute von Landwirten, Wanderern und Spaziergängern genutzt. Das LIFE-Projekt sieht Kirchner als „Mega-Chance“ für seine Gemeinde, um mit Fördermitteln die wenigen verbliebenen Bauern, den Tourismus und zugleich den Naturschutz zu stärken. „Das LIFE-Projekt umfasst ein Budget von 6.5 Millionen Euro“, führt Herget aus. „Europa und Hessen werden dafür sorgen, dass das investierte Geld nicht versandet, sondern die Pflege der Flächen auch nach Auslaufen des Projekts 2022 fortgeführt werden kann“, sichert der Projektmanager zu.

 

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