Noch bis in die erste Hälfte des 20. Jh. wurde am Lebersberg Muschelkalk zum Kalkbrennen abgebaut. Seit Aufgabe dieser Nutzung war der kleine Berg stark mit Sträuchern zugewachsen. Im Jahr 2016 hat die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz e. V. (HGON) mit finanzieller Unterstützung der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises einen Teil der Fläche erworben. Ihr Ziel: Hier soll ein ganz besonderes Biotop für seltene Arten entstehen. Dank seines kalkhaltigen Untergrunds hat der Lebersberg großes Potenzial, sich zu einem so genannten Kalkmagerrasen zu entwickeln. Kalkmagerrasen zählen zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas. Auf den nährstoffarmen Böden gedeihen Küchenschellen und sogar seltene Orchideen. Aufgrund ihres Blütenreichtums, die Insekten über einen langen Zeitraum Futter bieten, gelten Kalkmagerrasen naturschutzfachlich als besonders wertvoll.
Schweres Gerät für zarte Pflänzchen
Damit sich ein solches Paradies am Lebersberg entwickeln kann, mussten zunächst Sträucher und Gehölze weichen. Nachdem sich mit reiner Ziegenbeweidung auf dem 3.000 Quadratmeter großen Areal nichts ausrichten ließ, gingen die Verantwortlichen Anfang 2022 einen Schritt weiter: Mit schwerem Gerät wurde im Januar der nährstoffreiche Oberboden bis auf die Kalkschicht abgetragen. Gleichzeitig wurden die Gehölze samt Wurzelwerk maschinell entfernt, sodass eine komplett offene Fläche entstanden ist.
Begleitet wird die Maßnahme von dem lokal ansässigen Biologen Uwe Barth und der Hessischen Verwaltungsstelle des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön, das neben seiner Expertise im Bereich Landschaftspflege 10.000 Euro zum Projekt beisteuert. „Mit einem einzigen Eingriff haben wir jetzt die Wiese wieder mähfähig gemacht“, freut sich Rhön-Ranger Joachim Walter, der die Erdarbeiten mitgeplant und betreut hat.
Wann sich die ersten Küchenschellen und andere typische Vertreter der Kalkmagerrasen zeigen, sei laut Uwe Barth, der auch das Monitoring in den nächsten Jahren durchführen wird, schwer zu sagen. Da der Lebersberg schon immer für seine Küchenschellen bekannt gewesen sei – bereits 1868 sei der dortige Bestand von Botanikern als bedeutend eingestuft worden – bestehen gute Chancen, dass noch Samen im Boden schlummern, die schon dieses Frühjahr austreiben. Falls nicht, könne mit gezielten Auspflanzungen nachgeholfen werden. Um den Artenreichtum zu fördern und zu erhalten, muss die Wiese künftig ein bis zwei Mal pro Jahr gemäht werden.
Unterstützung durch Dorf und Gemeinde zugesichert
Bei einem gemeinsamen Begehungstermin sicherten Ortsvorsteher Holger Phillipp und Künzells Bürgermeister Timo Zentgraf ihre Unterstützung für das Naturschutzprojekt zu. Nachdem anfangs einige Bürger den Eingriff am Hang kritisch beäugt hätten, seien die Wogen inzwischen dank guter Aufklärung geglättet. Der örtliche Verkehrsverein als auch die Jugendfeuerwehr hätten schon ihre Bereitschaft signalisiert, bei der Instandhaltung der Fläche mitzuhelfen, berichtete Phillipp, der sich auch für die Erlaubnis der HGON bedankte, dass jährliche Hutzelfeuer auf dem Berg stattfinden zu lassen. Auch Zentgraf lobte die gute Kommunikation der HGON und kündigte an, dass ein geplanter Himmelsschauplatz des Sternenparks Rhön den Lebersberg zusätzlich aufwerten werde. HGON-Vertreter Reinhard Kolb zeigte sich hoch zufrieden mit dem Gemeinschaftsprojekt, dass dank des langjährigen Engagements durch Betreuung und Pflege des Dietershauseners Bernhard Müller ins Rollen gekommen sei. Auch Martin Kremer vom Biosphärenreservat freut sich über die Zusammenarbeit mit der HGON. Das Geld sei gut angelegt, da bei der Umgestaltung ausschließlich Betriebe aus der Region beteiligt waren.