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Biosphärenreservat Rhön
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Das Naturschutzgroßprojekt „Thüringer Kuppenrhön“ – Eine große Chance für die Artenvielfalt im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön

Gemeinsam die Artenvielfalt im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön erhalten und fördern – das ist Ziel des Naturschutzgroßprojektes „Thüringer Kuppenrhön“, das im Juni 2020 gestartet ist. Das Projektgebiet ist nicht nur von einer besonderen Vergangenheit geprägt, sondern beheimatet auch zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten, wie den Goldenen Scheckenfalter oder die Vogelart Bekassine. Bis zum Jahr 1989 verlief hier die ehemalige innerdeutsche Grenze. Aufgrund der Unzugänglichkeit einerseits und der Offenhaltung des sogenannten Schutzstreifens andererseits entstand eine Kette wertvoller Biotope als Rückzugsort und Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten. Noch bis Ende September 2024 befindet sich das Naturschutzgroßschutzprojekt in der Planungsphase. Ideen und Konzepte im Sinne einer nachhaltigen Landnutzung fließen in den von einem Fachbüro erstellten Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) ein – das zentrale Element der Planungsphase. Mit der Maßnahmenumsetzung des Projektes soll ab dem kommenden Jahr in einer zweiten Phase begonnen werden.

Das Projektgebiet zeichnet sich durch ein breites Spektrum an Lebensräumen aus. Hier der Blick vom Horbel in Richtung Katzenstein. / Foto: Manuel Neukirchen
Karte der Gebietskulisse / Grafik: Naturschutzgroßprojekt Thüringer Kuppenrhön
Bis zum Jahr 1989 verlief innerhalb des Projektgebiets die ehemalige innerdeutsche Grenze, wie hier am heutigen Grünen Band bei Birx. / Foto: Michaela Fedeli
Das Ergebnis der PAG-Sitzung im Mai in Geisa - alle Anwesenden sehen die Chancen der Verwirklichung eines Naturschutzgroßprojektes in der Thüringer Rhön. / Foto: Ilona Raßbach
Die Gebietskulisse beheimatet zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten, wie den Goldenen Scheckenfalter / Foto: Göran Roeder
Auch die Vogelart Bekassine hat hier ihre Heimat gefunden. / Foto 6: Pröhl Fokus Natur


Ein solches Projekt ist eine große und kräftezehrende Herausforderung. Dies wurde seitens der Projektleiterin Corinna Hoßfeld bei der letzten Sitzung der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe (PAG) am 15. Mai innerhalb der Planungsphase deutlich gemacht. Aus der Erfahrung mit dem bereits umgesetzten Naturschutzgroßprojekt „Thüringer Rhönhutungen“ konnte Julia Gombert, Geschäftsführerin des LPV „Thüringer Rhön“, allerdings berichten, dass sich der Aufwand und die Mühe lohnt. Der LPV hat gute Erfahrungen gemacht und ist nun als einer der beiden Träger-Gesellschafter bei der „Thüringer Kuppenrhön“ sozusagen „Wiederholungstäter“. Manuel Neukirchen, der als Vertreter und fachliche Begleitung der bundesweit tätigen Heinz Sielmann Stiftung, dem zweiten Träger-Gesellschafter, anwesend war, hob den ökologischen und landschaftlichen Wert des Projektgebietes hervor. Mit diesem Projekt, so Neukirchen, bestehe die Chance, „die unvermeidbaren Veränderungen in Gesellschaft und Landnutzung mit zu gestalten und zu agieren“. Die mittlerweile 6. Sitzung der PAG symbolisierte nicht nur einen gemeinsamen Abschluss, sondern einen Beginn zugleich. Folglich wurden nicht nur die Fortschritte seit der letzten Sitzung präsentiert, sondern auch gemeinsam Ideen für die Umsetzungsphase entwickelt. Alle Anwesenden sehen die Chancen eines Naturschutzgroßprojektes und wollen diese in der Thüringer Rhön verwirklichen. Hierzu wird es weitere und intensivere Abstimmungen geben. Das Stimmungsbild zum Ende der Sitzung war recht eindeutig: Die Grundlagen sind geschaffen, um kooperativ und partnerschaftlich in die Maßnahmenumsetzung übergehen zu können. Was genau am Ende in welchem Umfang realisiert wird, wird das Umsetzungsprojekt zeigen.

Zum Gebiet des Naturschutzgroßprojektes

Das ca. 4.830 ha große Projektgebiet erstreckt sich in Thüringen über die Hohe Rhön bis in die Vorderrhön. Das verbindende Element ist dabei der ehemalige innerdeutsche Grenzstreifen, das heutige „Grüne Band“, das zwischen Kolonnenweg und der heutigen Landesgrenze von Thüringen zu Bayern und Hessen verläuft. Das Grüne Band wurde im November 2018 als Nationales Naturmonument unter Schutz gestellt. Entlang dieses ca. 112 km langen Bandes befinden sich perlschnurartig aufgereiht elf Teilgebiete mit unterschiedlichen landschaftlichen Ausprägungen, wie das einzigartige Stedtlinger Moor ganz im Süden, artenreiche Feuchtgrünländer in der Klingser Aue, ausgedehnte Kalkmagerrasen am Weinberg bei Unterweid und am Rasdorfer Berg bei Geisa oder die Ulsteraue.

Die hohe standörtliche Vielfalt bringt ein breites Spektrum an Lebensräumen hervor, wie zum Beispiel kleinräumig wechselnde Wald- und Offenlandlebensräume mit zahlreichen Übergängen. Sie prägen dieses Gebiet und machen seinen hohen Wert für die biologische Vielfalt und den Biotopverbund aus.

Bedrohte Vielfalt

Doch Veränderungen in der Landnutzung, wie der Rückgang traditioneller Landnutzungsformen v.a. der Schafbeweidung, führen dazu, dass die hohe Struktur- und Artenvielfalt zunehmend gefährdet wird. Eine Tendenz, die deutschlandweit festzustellen ist, trifft leider auch auf die Rhön zu. Diesem Trend entgegenzuwirken und Flächen im Sinne einer nachhaltigen Landnutzung zu entwickeln, macht sich das Naturschutzgroßprojekt zur Aufgabe. Es bietet die Möglichkeit, alternative Landnutzungsformen mit einer langfristigen und nachhaltigen Perspektive zu etablieren und ist damit ein Glücksfall für das UNESCO-Biosphärenreservat Rhön, welches sich als Modellregion für eine nachhaltige Entwicklung versteht.

Region im Sinne des Biosphärenreservats mitgestalten

Der Fokus des Naturschutzgroßprojektes „Thüringer Kuppenrhön“ liegt auf der Bewahrung und Förderung der Artenvielfalt in der Rhön – dazu gehört beispielsweise auch die Stabilisierung der Vielfalt der verschiedenen Lebensräume am Grünen Band oder die Wiedervernäs-sung von Grünland. „Es ist wichtig, die Feuchtlebensräume in der Rhön zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, um daran gebundene selten gewordene Arten zu fördern, mit dem tollen Nebeneffekt auch Klimaschutz zu betreiben“, so Corinna Hoßfeld Projektleiterin des Naturschutzgroßprojekts „Thüringer Kuppenrhön“. „Auch die Entbuschung oder Neo-phytenbekämpfung - mit dem Ziel gefährdete und artenreiche Lebensräume zu sichern - gehört zu unseren Aufgaben. Gerade Neophyten wie der Riesenbärenklau stellen ein zunehmendes Problem dar.“ Des Weiteren beschäftigt sich das Projektteam auch mit der Etablierung naturnaher Beweidungsformen und tritt hierbei in Austausch mit den regionalen Land-wirten. „Wir blicken auf einen guten, konstruktiven Austausch zurück. Die Partner vor Ort sind dankbar, mitgenommen zu werden“, so Hoßfeld, die betont: „Die Arbeit des Naturschutzgroßprojekts als Chance für eine nachhaltige Bewirtschaftung zu begreifen – das wollen wir auch vor Ort in den Gemeinden und Betrieben vermitteln. „Wichtig ist uns, dass alle verstehen, dass wir Angebote unterbreiten, bei denen Partner freiwillig mitmachen“, so Hoßfeld.

Aktueller Stand des Projekts

Eine detailliert ausgearbeitete Maßnahmenplanung als Herzstück des Pflege- und Entwicklungsplans ist Grundlage für die Umsetzung und befindet sich aktuell in der finalen Abstimmung. Hierfür kommen im Rahmen der Projektbegleitenden Arbeitsgruppe ca. zweimal jähr-lich die Vertreter der Landwirtschaft, der Gemeinden und Landkreise, der Forstwirtschaft, des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön, des Tourismus und der Regionalvermarktung, der betei-ligten Behörden wie etwa den Naturschutzbehörden sowie Vertreter der Fördermittelgeber zusammen. Die Arbeitsgruppe hat eine wichtige beratende Funktion und wird auch die Um-setzungsphase begleiten.

Ein großer Schritt nach vorne

„Mit Abschluss der Maßnahmenplanung hat das Projekt einen großen Schritt nach vorne ge-macht! Denn nun ist klar, wo und welche Maßnahmen innerhalb der Projektkulisse möglich wären - der Konjunktiv ist wichtig, denn es handelt sich hierbei um eine Angebotsplanung. Naturschutzgroßprojekte basieren auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Das derzeitige Förderge-biet beinhaltet Maßnahmen zur Verbesserung und Wiederherstellung von Zielbiotopen sowie spezielle Artenschutzmaßnahmen“, so Johannes Urban, Projektassistent im Naturschutzgroß-projekt „Thüringer Kuppenrhön“.
Parallel wurden von der Thüringer Landgesellschaft die landwirtschaftlichen Hauptnutzer mit Bewirtschaftungsflächen im Projektgebiet des Naturschutzgroßprojektes befragt. Hierbei wer-den die betriebswirtschaftlichen und strukturellen Aspekte der Nutzer betrachtet und die Er-kenntnisse in die PEPL-Planung eingearbeitet. „Es wird daher bereits jetzt mit den beteiligten Akteuren ermittelt, wie es um die Akzeptanz der Maßnahmen bei den unterschiedlichen Inte-ressensgruppen steht. Denn diese ist ein wichtiger Aspekt für den Umsetzungserfolg“, so Urban.

„Naturschutzgroßprojekte bieten Chancen - nicht nur für die Natur, sondern auch für die Regionen und die dort lebenden Menschen“, heißt es auf der Homepage des Bundesamtes für Naturschutz (https://www.bfn.de/daten-und-fakten/naturschutzgrossprojekte-des-bundes). Das ist auch ein wichtiger Leitsatz im Naturschutzgroßprojekt „Thüringer Kuppenrhön“. Daher sollten möglichst viele der beteiligten Flächennutzer an den Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt mitwirken.

Zum Hintergrund der Naturschutzgroßprojekte

Naturschutzgroßprojekte basieren auf dem seit 1979 bestehenden Förderprogramm „chance.natur - Bundesförderung Naturschutz“. Über „chance.natur“ können nur Gebiete ge-fördert werden, die im nationalen und internationalen Interesse für den Naturschutz außerordentlich wertvoll und für den betreffenden Lebensraumtyp in Deutschland besonders charakteristisch und repräsentativ sind. Das Förderprogramm soll zum dauerhaften Erhalt von Naturlandschaften sowie zur Sicherung und Entwicklung von Kulturlandschaften mit herausragenden Lebensräumen für besonders schützenswerte Tier- und Pflanzenarten beitragen . Naturschutzgroßprojekte gliedern sich in ein Planungsprojekt (Projekt I) mit einer in der Regel ca. 3-jährigen Laufzeit und einem bis zu 10 Jahre laufenden Umsetzungsprojekt (Projekt II). Im Projekt I wird ein Pflege- und Entwicklungsplan (PEPL) erstellt, der auf einer einge-henden Analyse des Planungsraums aufbaut und konkrete flächenspezifische Maßnahmen beinhaltet. Die Förderung erfolgt stets anteilig, wobei der Bund in der Regel 75 % der Gesamtkosten trägt. Die restlichen 25 % teilen sich das jeweils beteiligte Land und der Projekt-träger. Für das Umsetzungsprojekt ist derzeit ein Gesamtfördervolumen von mehreren Millionen Euro vorgesehen.
 

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