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Biosphärenreservat Rhön
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Anwälte der Apfelvielfalt – Rhöner Apfelinitiative setzt sich seit 25 Jahren für Erhalt der Streuobstwiesen ein

Sie heißen Schafnase, Roter Ausbacher oder Reders Goldrenette und waren bis in die 1990er Jahre kaum noch jemandem ein Begriff: die alten Rhöner Apfelsorten. Ein Netzwerk ehrenamtlicher Apfelfreunde hat die ökologisch wertvollen Streuobstwiesen im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön aus dem Dornröschen-schlaf geholt. Die Rhöner Apfelinitiative beweist seit 25 Jahren, dass es mit einer Vision, den richtigen Leuten und kreativen Produkten gelingen kann, ein fast untergangenes Kulturgut fit für die heutige Zeit zu machen. Nebenbei entstand eine der größten bio-zertifizierten Vermarktungsinitiativen für heimisches Streuobst in Deutschland.

Streuobstwiesen wie diese gab es früher fast in jedem Rhöner Dorf. / Foto: Claus Schenk
Der Apfelsaft der Rhöner Apfelinitiative ist das Urgestein der Apfelprodukte aus bio-zertifiziertem Streuobst. Er ist unter anderem in ausgewählten regionalen Supermärkten erhältlich. / Foto: Antje Schwanke

Apfelbäume gehörten früher in jeden Rhöner Bauerngarten. Dazu besaß fast jedes Dorf eine oder mehrere Streuobstwiesen, die von der Landbevölkerung bis in die 1950er Jahre hinein bewirtschaftet wurden. Mit über 500 Sorten ist die Vielfalt in der Rhön beachtlich. Mit Einführung des Ertragsanbaus folgte der Niedergang. Heimisches Obst war nicht mehr gefragt, der Anbau auf den Streuobstwiesen nicht mehr rentabel. Bäume wurden aufgegeben, Anbauflächen verbuschten. Zudem wurde Bauland benötigt, weshalb in den 1960er und 70er Jahren viele Apfelbäume dem Bagger weichen mussten. Mit Folgen für die Artenvielfalt, denn Streuobstwiesen mit hochstämmigen Obstbäumen auf Wiesen, Weiden oder Mähweiden sind wertvolle Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten. Sie spielen außerdem eine wichtige Rolle im Klimaschutz.

Der Schatz vor der Haustür

Dem Untergang, der auch den Rhöner Äpfeln drohte, stellten sich ehrenamtliche Apfelfreunde aus der Rhön entgegen. Ausgehend von einer Projektidee der Verwaltungen des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön gründeten sie 1995 die Rhöner Apfelinitiative. Eine der ersten Aktionen war die Organisation einer länderübergreifenden Apfelmesse. Jürgen Krenzer, Vorstands- und Gründungsmitglied, erinnert sich: „Viele Rhöner wussten damals gar nicht, welchen Schatz sie mit den Streuobstwiesen direkt vor der Haustür haben. Unser Ziel war es, mit einzigartigen Produkten den Apfel direkt ins Herz der Bevölkerung zu bringen und letztlich höhere Preise für das Streuobst zu erzielen.“ Das Konzept ging auf: Immer mehr Menschen, die mit den Rhöner Äpfeln Geld verdienten, kamen auf den zweijährlichen Apfelmessen zusammen. Im Jahr 2002 fand die letzte statt. „Irgendwann brauchte es keine Messen mehr, der Apfel ist zum Selbstläufer geworden, sodass die Initiative mehr in die Vermarktung einsteigen konnte“, erzählt Krenzer. 

Kreative Produkte

Heute versteht sich der Verein mit 104 Mitgliedern als Dachorganisation für alle, denen der Erhalt der Rhöner Streuobstwiesen mit ihren Apfelbeständen am Herzen liegt. Dazu zählen Apfelbauern und Baumschulen ebenso wie Keltereien und Erzeuger von Apfelprodukten. Das Apfelbüro, wie sich die zentrale Koordinierungsstelle nennt, gibt Tipps zur Anlage neuer und zur Pflege vorhandener Streuobstwiesen, berät über Förderungsmöglichkeiten, vermittelt Kontakte zwischen Obstbauern, Fachleuten für Obstbaukunde und Gastronomen und stößt immer wieder Kooperationen an. Eine ganze Reihe kreativer Apfelprodukte ist seit Gründung der Apfelinitiative entstanden. Apfelchips, Apfelsenf, Apfelsherry, Apfelbier oder Apfelbratwurst sind nur einige der kulinarischen Neukreationen. „Wir arbeiten aktuell mit dem Berliner Unternehmen Ostmost zusammen, das sich auf die Herstellung von Getränken aus alten Apfelsorten von Bio-Streuobstwiesen spezialisiert hat“, berichtet Antje Schwanke, Geschäftsführerin der Apfelinitiative. Ein Produkt aus Rhöner Äpfeln sei schon in der Mache.

Eine zentrale Aufgabe des Apfelbüros ist auch die Koordination und Unterstützung von Qualitätskontrollen. Denn damit sich ein Apfel „Apfel der Rhöner Apfelinitiative“ nennen darf, muss er von einer Bio-Streuobstwiese stammen, darf nicht künstlich gespritzt oder mineralisch gedüngt werden. „Die aufwändige Zertifizierung übernimmt zur Hälfte der Verein, zur Hälfte eine externe Kontrollstelle“, erklärt Schwanke. „Wir übernehmen die Kosten und bieten so unseren Mitgliedern einen echten Mehrwert.“ Der Erfolg spricht für sich, die Rhöner Apfelinitiative ist inzwischen eine der größten bio-zertifizierten Vermarktungsinitiativen für heimisches Streuobst in Deutschland.

Zukunftsthemen: Nachwuchsförderung und Klimawandel

Damit auch in 25 Jahren noch reichlich Äpfel an Rhöner Bäumen hängen, müssen sie gepflegt und regelmäßig geschnitten werden. „Das macht richtig Arbeit“, betont Antje Schwanke. Viele der heutigen Bestände seien überaltert, von Misteln befallen, das nötige Fachwissen gehe immer mehr verloren. Erst recht, wenn es nicht mehr wie früher von Generation zu Generation weitergegeben werde. Die Apfelinitiative setzt sich daher aktiv für die Nachwuchsförderung ein: „Wir möchten in der Rhön ein Netzwerk von Baumwarten aufbauen, die sich länderübergreifend um das bestehende Streuobstpotential kümmern, als Multiplikatoren fungieren und im Austausch untereinander bleiben“, kündigt die Geschäftsführerin an.  

Bei allen Erfolgen des Exportschlagers Rhönapfel, seine Zukunft hängt auch vom Klimawandel ab. Neben der Trockenheit, die sich auf die Saftmengen auswirkt, stellen Viruskrankheiten, die im Rhönklima normalerweise gebremst, durch höhere Temperaturen aber begünstigt werden, die Obstbauern und Keltereien vor neue Herausforderungen. Jürgen Krenzer: „Diesen können wir nur begegnen, wenn die Menschen bereit sind, für regionale, handwerklich hergestellte Qualitätsprodukte etwas mehr auszugeben als für Massenware. Die Wertschätzung hochzuhalten, das ist unser Ziel.“

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