Wiesen - mehr als nur Viehfutter!

Wiesen und insbesondere extensiv genutzte Wiesen - also solche, die nur selten im Jahr gemäht, nicht gedüngt und nicht mit Pestiziden behandelt werden - sind wahre Multitalente. Sie tun mehr für uns Menschen als man auf den ersten Blick meinen könnte. Wer denkt bei ihrer Funktion nicht zuerst an Futter für Weidetiere wie Kühe, Ziegen und Schafe? Doch Wiesen können mehr! Einige ihrer Leistungen sind sogar grundlegend für unser eigenes (Über-)Leben und Wohlbefinden. Welche Vorteile das komplexe Ökosystem Wiese für uns Menschen quasi „nebenbei“ erbringt, soll auf dieser Seite näher erklärt werden. 

Im Konzept der so genannten "Ökosystemleistungen" unterscheidet man im Allgemeinen zwischen unterstützenden, versorgenden, regulierenden und kulturellen Leistungen der Natur. Die unterstützenden Leistungen sind die Grundlage für alle anderen Kategorien. Zu ihnen zählen Fähigkeiten der Natur wie Photosynthese, bodenbildende Prozesse, Wasser- und Nährstoffkreislauf. 

    Auf einen Blick:

    • Futterpflanzen für Haustiere
    • Trinkwasser
    • genetische Ressourcen
    • pharmazeutische Stoffe

     Egal, ob als hochwertiges Frischfutter oder zur Heu- oder Silogewinnung: Wiesen und Weiden sind Nahrungslieferant Nr. 1 für viele unserer wiederkäuenden Haustiere, allen voran die Milchkühe. Um sie zu versorgen, sind die meisten Wiesen überhaupt erst von Menschenhand geschaffen worden. Nicht unbedingt durch Ansaat wie beispielsweise Äcker, aber durch regelmäßige Nutzung wie Mahd oder Beweidung findet die grünlandtypische Offenhaltung der Landschaft statt. Aber Wiesen versorgen uns auch mit Trinkwasser. Denn in ihren Böden speichern sie den Niederschlag und geben ihn ans Grundwasser ab. Positiver Nebeneffekt: Durch die Filterwirkung von Vegetation und Boden werden sowohl Nähr- als auch Schadstoffe gebunden. Sie reinigen es also auch gleich mit.

    Darüber hinaus sind Wiesen wahre Apotheken. Auf ihnen gedeihen eine Vielzahl wertvoller Heilpflanzen, die gegen allerlei Leiden wirken. Arnika, Johanniskraut, Mädesüß, Salbei wachsen auch auf Rhöner Bergwiesen. Für die pharmazeutische Industrie werden sie zwar nicht aus Wildsammlung gewonnen, dennoch verdanken wir ihren Ursprung dem Lebensraum Wiese. Nicht zuletzt ist eine artenreiche Wiese ein kostbarer Schatz, liefert sie doch die genetischen Ressourcen für viele weitere artenreiche Wiesen. Das Samenmaterial kann nämlich geerntet und auf anderen geeigneten Flächen ausgesät werden, die etwas mehr Artenvielfalt vertragen können – ganz wie man es aus dem heimischen Garten kennt. Das LIFE-Projekt „Rhöner Bergwiesen“ hat hierfür verschiedene Ernte- bzw. Aussat-Methoden ausprobiert: Mähdrescher, eBeetle und Mahdgutübertragung haben bei uns gute Ergebnisse hervorgebracht.

    Auf einen Blick:

    • Hochwasserschutz
    • lokale Klimaregulation
    • Wasserreinigung
    • Erosionsschutz
    • Erhalt der Bodenfruchtbarkeit
    • Klimaschutz durch CO2-Speicherung
    • Bestäubung
    • Biologische Vielfalt
    • Habitatbereitstellung

    Aber das Grünland, also die landwirtschaftlichen Flächen, deren Gräser und krautigen Pflanzen für die Futtergewinnung genutzt werden, leistet auch viele ausgleichende Dienste. Je nach Vegetation und Bodenbeschaffenheit speichern Wiesen das Wasser aus dem Niederschlag. Je besser sie das können, desto länger kann Wasser in der Fläche gehalten werden und desto langsamer erfolgt die Abgabe an Oberflächengewässer wie Flüsse – das ist effektiver Hochwasserschutz! Ebenso regulieren Wiesen das lokale Klima: Sie kühlen nachts ab und sorgen für Kaltluft, die bei höheren Temperaturen auch angrenzenden Siedlungsräume Abkühlung verschaffen. Die Wurzeln der Wiesenpflanzen, dazu zählen Gräser, Kräuter und Blühpflanzen, festigen aber auch den Boden und machen ihn widerstandsfähiger gegen Wind- und Wassererosion. Außerdem verhindert die Vegetationsdecke das Aufprallen von Wassertropfen. Der beste Schutz gegen Erdrutsche und Schlammlawinen!

    Auch für die Bodenfruchtbarkeit leisten Wiesen einen Beitrag. Je reicher und aktiver das Bodenleben, desto fruchtbarer sind die Böden im Allgemeinen. Bodenorganismen machen Nährstoffe für Pflanzen verfügbar, sie zersetzen abgestorbenes organisches Material und bauen Humus auf, und sie sorgen für eine gute Lockerung des Erdreichs. Je weniger stark ein Boden bearbeitet wird, desto höher ist der Anteil der Bodenlebewesen unter der Pflanzenschicht. Extensiv bewirtschaftete Wiesen schneiden hierbei besonders gut ab. Und auch in Sachen Klimaschutz kann das Grünland punkten. Denn Wiesen und Weiden gelten als so genannte Kohlenstoffsenken. Dabei gilt: Je humusreicher die Böden, desto effektiver speichern sie das CO2. Wer im Zusammenhang mit der globalen Erderwärmung an den Schutz von Lebensräumen denkt, sollte nicht nur die Wälder, sondern auch die artenreichen Wiesen im Blick haben.

    Und auch im Kontext des globalen Rückgangs der Artenvielfalt bieten insbesondere extensiv genutzte Wiesen dem Schwund die Stirn. Denn mit ihrer Vielfalt an Pflanzen und Insekten, die wiederum Nahrung für viele andere Tiere sind, sind sie wahre Hotspots der Biodiversität. Für viele Arten und Lebensgemeinschaften von herausragender, teils europaweiter Bedeutung sind sie unverzichtbarer Lebensraum. Auf einer artenreichen Bergmähwiese wie es sie in der hessischen Hochrhön noch auf ca. 400 Hektar gibt, kommen bis zu 50 verschiedene Pflanzenarten vor. Die Vielfalt der Tierarten ist noch um ein Vielfaches höher. Bestäubende Insekten wie Bienen, Schmetterlinge, Käfer und Hummeln finden auf bunt blühenden Wiesen ein großes Nahrungsangebot. Dies wiederum sorgt dafür, dass sie auch die für unser eigenes Überleben so wichtigen Kulturpflanzen bestäuben können.

      Auf einen Blick:

      • Landschaftsästhetik
      • Nutzbar für Erholung und Tourismus
      • Bildung für nachhaltige Entwicklung
      • Identifikation
      • Kulturerbe
      • geistige und künstlerische Inspiration

      Auch in kultureller Hinsicht leisten Wiesen einen nicht unerheblichen Beitrag. Die meisten in Deutschland vorkommenden Grünlandflächen sind über viele Generationen von Menschenhand geschaffen worden. Sie zählen damit zu den Kulturlandschaften und sind Zeugnisse traditioneller Bewirtschaftungsweisen, die durch ihre Weiterführung vor dem Verschwinden bewahrt werden. Für viele Menschen gehören sie zu ihrer Heimat einfach dazu und tragen damit zur Identifikation mit ihrer Region bei. Das stärkt den Zusammenhalt und das Engagement für eine nachhaltige Entwicklung einer Region.

      Gleichzeitig sorgen sie für eine Offenhaltung der Landschaft. Werden Wiesen nicht mehr bewirtschaftet, entwickelt sich allmählich ein Wald. Gerade aber die bunt blühenden Sommerwiesen und die offenen Landschaften haben mit weiten Ausblicken einen hohen ästhetischen Wert, der sich touristisch nutzen lässt. Denn für viele naturbezogene Aktivitäten wie Spazieren, Wandern und Radfahren stellen sie eine Kulisse von besonderem Erholungswert bereit. Ihre Schönheit ist für viele Menschen Quelle der Inspiration für Malerei und Landschafts- oder Naturfotografie.

      Und nicht zuletzt sind Wiesen – insbesondere die artenreichen – exzellente Lernorte nicht nur für Kinder und Jugendliche. Auch Erwachsene können hautnah Zusammenhänge erleben und „begreifen“, die sie sonst nur aus Büchern kennen.

        Mit dem Wissen um den vielfältigen Nutzen für unsere eigene Spezies, lohnt es sich rein schon aus menschlicher Sicht, sich für die Erhaltung und Wiederherstellung von bunt blühenden Wiesen einzusetzen. Oder?

         

        Wissensposter "Was nützt dir die Wiese?"

        Zur Veranschaulichung des spannenden Themas „Ökosystemleistungen von Wiesen“ hat das LIFE-Projekt „Rhöner Bergwiesen“ in Zusammenarbeit mit der Illustratorin Thea Leyendecker ein Wissensposter herausgegeben. Es kann kostenlos bei der Hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön in Hilders und beim Bürgerservice der Kreisverwaltung Fulda abgeholt werden.