Lebensräume und Zielarten

Eine Wiese ist eine Wiese ist eine Wiese? Weit gefehlt!
Die Rhöner Bergwiesen sind ein vielfältiges Mosaik an Lebensräumen. Im LIFE-Projekt stehen die FFH-Lebensraumtypen Bergmähwiesen, magere Flachlandmähwiesen, naturnahe Kalkmagerrasen, artenreiche Borstgrasrasen sowie eine Besonderheit der Rhöner Weidewirtschaft, die sogenannten Hutungen, im Fokus der Schutzbemühungen.

Bergmähwiesen (LRT 6520)

Bergmähwiesen sind extensiv genutzte Wiesen mit wenigen und späten Schnittzeitpunkten (1 bis 2 Mal ab Mitte Juli) sowie mit geringer Düngung. Sie lösen die Flachlandmähwiesen in den höheren Lagen der Mittelgebirge und der Alpen ab. Auf den Wiesen findet man als häufig vertretene Charakterart den Goldhafer (Trisetum flavescens), weswegen sie von Botanikern auch Goldhafer-Wiesen genannt werden. Durch die jahrzehnte bis jahrhundertelange extensive Nutzung, die dem Boden stetig Nährstoffe entzog, entstand eine vielfältige, blütenreiche Wiesengesellschaft mit einer Vielzahl an Pflanzen, die nur einen geringen Nährstoffbedarf haben.

Durch die Änderung der Grünlandnutzung, wie etwa intensivere und frühere Mahd, Düngung und Beweidung, ist dieser Lebensraumtyp heute stark gefährdet. Eine weitere Bedrohung des Lebensraumes ist die Lupine, eine nicht heimische Art, die im Boden für eine Stickstoffanreicherung sorgt. Außerdem bildet sie Dominanzbestände, wodurch sie konkurrenzschwächere Arten verdrängt.

Mit LIFE-Mitteln bearbeitete Fläche: 400 Hektar

Magere Flachlandmähwiesen (LRT 6510)

Magere Flachlandmähwiesen sind in Deutschland selten geworden. Die Betonung liegt auf „mager“, das heißt durch langjährige, traditionell kleinbäuerliche Nutzung als Mähwiese wurden den Standorten Nährstoffe entzogen und viele blütenreiche Pflanzenarten konnten sich neben den Grasarten etablieren. Aufgrund der zunehmenden Nutzungssteigerung auf Grünland gelangen heute aber während der Düngung hohe Mengen an Nährstoffen in den sonst mageren, also nährstoffarmen Boden.

Flachlandmähwiesen kommen, wie es der Name schon sagt, nur in tieferen Lagen der Mittelgebirgslandschaft vor. Sie konnten sich dort durch eine extensive Bewirtschaftung etablieren. Durch eine zunehmende Intensivierung mit früheren Mahdterminen und einem verstärkten Einsatz von Düngemitteln sind die Wiesen mit der Zeit an Arten verarmt. Nur durch eine spätere Mahd und natürlich reduzierte Düngung können die Wiesen artenreich bleiben. 

Mit LIFE-Mitteln bearbeitete Fläche: 50 Hektar

Naturnahe Kalkmagerrasen (LRT 6210)

Die Kalkmagerrasen findet man in der Rhön an flachgründigen Standorten mit basischem Untergrund. Die bunten und orchideenreichen Kalkmagerrasen gehören zu artenreichsten Lebensräumen in Deutschland überhaupt. Sie sind häufig durch wenig intensive Mahd, fehlende Düngung und Wanderschäferei entstanden. Gerade steilere trockene Bereiche mit offenen Bodenflächen bieten Lebensaum für viele weitere Tierarten wie Reptilien und Insekten: Eidechsen, Schlingnattern, Laufkäfer, Bienen, Schmetterlinge und Heuschrecken fühlen sich auf südexponierten, warmen Flächen wohl. Werden die Flächen nicht mehr ausreichend beweidet, machen sich junge Gehölze und später Büsche breit, wodurch die typischen Pflanzen- und Tierarten der Kalkmagerrasen verdrängt werden. 

Maßnahmen von LIFE konzentrieren sich daher auf die Entwicklung und Etablierung von Weidekonzepten und die Entfernung von Gehölzen. Für Vögel wie Neuntöter, Raubwürger und Baumpieper, die auf freistehende Büsche angewiesen sind, werden auf den Flächen einzelne Gehölze erhalten.  

Mit LIFE-Mitteln bearbeitete Fläche: 71 Hektar

Artenreiche Borstgrasrasen (LRT 6320)

Die seltenen Borstgrasrasen sind durch eine langwährende, extensive Bewirtschaftung entstanden. Nach Rodung der Wälder dienten die Flächen ursprünglich fast ausschließlich der Heugewinnung, aber die Erträge waren gering und die Ernte ohne Maschinen beschwerlich. Anschließend wurden dann die Tiere auf die Rasen getrieben. Dadurch wurden konstant große Mengen an Nährstoffen aus den Böden entfernt, aber wenige wieder eingetragen. Diese nährstoffarmen Rasen werden nur von an diese Bedingungen angepassten Pflanzen besiedelt.

Die dort vorkommende Tierwelt ist zusammen mit den zahlreichen Pflanzenarten bedroht, wenn die Landwirtschaft ihre Nutzung der Flächen ändert. Sowohl eine Aufgabe, als auch eine Intensivierung der Rasen schaden diesem Lebensraum, da die typischen Arten verdrängt werden. In der Rhön wächst der Borstgrasrasen noch auf fast 190 ha. Durch ihre Größe und Artenvielfalt sind diese Bestände von großer Bedeutung. Manchmal sieht man in diesen Bereichen den seltenen Goldenen Scheckenfalter. Einige der Flächen weisen durch vereinzelte Gebüsche, Bäume und Basaltblöcke eine hohe strukturelle Vielfalt auf. 

Mit LIFE-Mitteln bearbeitete Fläche: 190 Hektar

Hutungen der Rhön

Die heutige Landschaft der Rhön ist das Ergebnis einer Jahrtausende langen Entwicklung durch Nutzungen des Menschen. Ursprünglich erstreckten sich weit über die Rhön hinaus weitläufige Buchenwälder, weswegen die Fuldaer Mönche das Land als „Buchonien“ bezeichneten. Insgesamt war die Hohe Rhön bis zu dieser Zeit kaum besiedelt. Erst zwischen 1000 und 1300 n. Chr. wurden dann weite Teile dieser großen Wälder gerodet oder als Waldweide genutzt. Während die Bewohner die großen Bäume entfernten, verhinderte das Vieh das Aufkommen von jungen Gehölzen.

Einige Bäume, wie etwa Eiche oder Buche, ließen die Nutzer jedoch bewusst im Wald stehen, um die Früchte oder Laub und Zweige für die Tiere als Futter oder Einstreu zu nutzen. Aus „Buchonien“ wurde so das „Land der offenen Fernen“. Vor allem in den Hochlagen wurden die entstandenen Flächen aufgrund ihrer geringen Erträge und der erschwerten Zugänglichkeit weiterhin als Weiden genutzt. So entstanden die Hutungen mit ihren mageren Grünländern und den großen, einzeln stehenden Bäumen.

Werden Huteflächen nicht mehr beweidet oder ist der Weidedruck zu gering, kommt es zu einer Verbuschung der Huten. Diese wirkt sich nicht nur negativ auf die Beweidbarkeit der Flächen durch das Vieh aus, sondern beschattet und verdrängt auch die artenreiche Grünlandvegetation. Um dies zu verhindern, müssen die Huten in regelmäßigen Abständen mechanisch nachgepflegt, also entbuscht, werden.

Mit LIFE-Mitteln bearbeitete Fläche: 500 Hektar

Tiere im LIFE-Projekt

Die LIFE-Projektkulisse deckt sich mit dem Vogelschutzgebiet Hessische Rhön. Daher stehen die Vogelarten des Offenlandes besonders im Fokus der Schutzbemühungen. 

Bodenbrüter wie Wachtelkönig, Bekassine, BraunkehlchenBaumpieper oder Wiesenpieper benötigen die offenen Flächen als Brutgebiete. Der Schwarzstorch nutzt die Stehgewässer auf den Wiesen als Futterquelle, während er in den Buchenwäldern der Rhön seine Jungen großzieht. Diese Vögel sowie Raubwürger und Neuntöter sollen durch das LIFE-Projekt bessere Habitate erhalten, um ihre Bestände zu schützen. Aufgrund der zunehmenden Veränderung des Offenlandes durch Intensivierung bzw. Aufgabe landwirtschaftlicher Nutzung sowie äußerer Einflüsse wie der Klimawandel sind inzwischen viele Vogelarten vom Aussterben bedroht. Der Rhön fällt dabei eine große Verantwortung zu, denn die hier geschaffenen Lebensräume bieten eine gute Grundlage für Maßnahmen zur Stabilisierung und Steigerung der Bestände. Von diesen profitieren nicht nur viele andere Vogelarten, sondern auch Kleinsäuger, Insekten und Reptilien, die den Lebensraum Grünland und Hecke bewohnen.

Ein ganz besonderer Falter

Neben diesen bedrohten Vogelarten steht auch ein extrem seltener Schmetterling im Fokus der Schutzbemühungen: der Goldene Scheckenfalter (auch Skabiosen-Scheckenfalter). Er gilt als so genannte Schirmart und ist ein Indikator für intakte Lebensräume, in denen sich auch andere Insekten und Tiere wohlfühlen. In der Rhön kommt er aktuell nur noch auf den Borstgrasrasen im Roten Moor vor. Dort wachsen die wichtigen Futterpflanzen für seine Raupen. Der Teufelsabbiss (Succisa pratensis) ist eine von diesen. Um den hiesigen Bestand dieses deutschlandweit bedrohten Falters zu stärken, sollen während des LIFE-Projekts gezielt die Standorte mit Teufelsabbiss von aufkommender Verbuschung befreit und zusätzliche Futterpflanzen in die derzeit besiedelten Bereiche im Roten Moor, an der Schornhecke oder am Mathesberg, eingebracht werden. Um eine Ausbreitung des Schmetterlings zu ermöglichen, werden kleine Trittsteinbiotope geschaffen, die den Übergang in andere Lebensräume erleichtern.

 

 

Tiere im LIFE-Projekt Hessische Rhön

Neuntöter - Zielart im LIFE-Projekt "Hessische Rhön". Foto: Heidelinde Witzmann
Wiesenpieper - Magerrasen - Flachlandmähwiese - Zielart im LIFE-Projekt "Hessische Rhön". Foto: Alfred Limbrunner
Bekassine
Foto: Dr. Bengt-Thomas Gröbel
Rufender Wachtelkönig
Foto: Torsten Kirchner
Ein Schwarzstorch fliegt zu seinem Horst, in dem drei Jungtiere warten
Foto: Arnulf Müller
Raubwürger
Foto: Christian Gelpke, Vogelschutzwarte Hessen
Braunkehlchen
Foto: Jürgen Holzhausen
Baumpieper
Foto: Andreas Trepte
Skabiosen-Scheckenfalter
Foto: Benno von Blanckenhagen