Landschaft lesen – Die Buchreihe "Historische Kulturlandschaft Rhön"
Als Kulturlandschaft ist die Rhön nicht nur von naturräumlichen Gegebenheiten geprägt, sondern vor allem Spiegel menschlichen Wirtschaftens. Wie hat sich diese – vom Menschen gestaltete – Rhöner Kulturlandschaft entwickelt? Welche Spuren historischer Nutzung sind heute noch in der Landschaft ablesbar und erlebbar? Was hat sich bis heute erhalten? Welche Elemente sind besonders schützenswert? Diesen Fragen widmet sich die wissenschaftliche Projektreihe „Historische Kulturlandschaft Rhön“. Sie dokumentiert gemeindeweise die Kultur- und Sozialgeschichte der Rhön.
Dabei wird beschrieben, wann welche Region besiedelt wurde, welche weltlichen und geistlichen Herrscher regierten und wie sie die Landschaft prägten. Auch geht es darum, wie sich die Rhöner Orte entwickelten, wie das Land um sie herum strukturiert und genutzt wurde und welche Wege die Landschaft durchzogen. Hinzu kommen Antworten auf die Frage danach, welche Nebeneinnahmen die Rhöner Bevölkerung fanden, wenn die Landwirtschaft auf größtenteils kargen Böden nicht genug zum Leben einbrachte.
Zusätzlich wurden die historischen Kulturlandschaftselemente der untersuchten Gegenden erfasst und auf einer Karte dargestellt. Diese Elemente sind Spuren in der Landschaft wie zum Beispiel aufgegebene Ackerfluren, Hutebuchen, Mühlen, Lesesteinwälle, Hohlwege, Streuobstwiesen und Haufendörfer mit Fachwerkhäusern, Dorfmauern und Krautgärten. Viele erlauben einen Blick darauf, wie frühere Generationen in der Region gewirtschaftet haben, welche kulturellen Bräuche sie hatten und wie ihr Alltagsleben aussah. Ausgehend von diesen Untersuchungen wurden abschließend Maßnahmen zum Schutz und zur Weiterentwicklung der Kulturlandschaft gegeben.
Die Ergebnisse wurden – jeweils zusammenfassend – in der Buchreihe "Historische Kulturlandschaft Rhön" des Michael Imhof Verlags Fulda für eine breitere Leserschaft veröffentlicht.
Hintergrund: Was ist eine Kulturlandschaft?
Unsere Landschaft verändert sich längst nicht mehr nur durch natürliche Prozesse wie Wetter und Verwitterung. Naturlandschaften, Landschaften völlig frei von menschlichem Einfluss, gibt es in Deutschland nicht mehr. Der Mensch hat über Jahrtausende durch Nutzung seine Umwelt gestaltet. Diese durch Nutzung geformte Landschaft wird Kulturlandschaft genannt. In der Rhön hat sich eine besonders vielfältige, schöne und einzigartige Kulturlandschaft entwickelt. Sie ist geprägt von artenreichen Bergwiesen, Magerasen, Streuobstwiesen, Hecken, Lesesteinwällen, Buchenwäldern und vielen kleineren und größeren Ortschaften.
Die Entwicklung, die der Rhön zu dem weit verbreiteten Namen „Land der offenen Fernen“ verholfen hat, hat ihren Ursprung bereits in der Fränkischen Landnahme des siebten und achten Jahrhunderts. In den folgenden Jahrhunderten wurde zunächst im Vorland der Rhön Wald gerodet, um Bau- und Brennholz zu gewinnen und Platz für Ackerbau zu schaffen. Der Buchenwald der Langen Rhön musste erst im Spätmittelalter (ca.1250 – 1500) Heufeldern weichen, und diente unter anderem dazu, Köhlereien, Glashütten und Eisenschmelzen mit Brennholz zu versorgen.
Heute ist diese Landschaft besonders schützenswert, weil sich auf den großen nährstoffarmen Grünlandflächenseltene Pflanzengesellschaftenentwickelt haben, die wiederum Lebensgrundlage für eine Vielzahl an Insekten und Vögelnbilden. Eine der Kernaufgaben des Biosphärenreservats Rhön ist es, die einzigartige Kulturlandschaft mit ihrer wertvollen Natur zu bewahren und zu entwickeln. Dafür werden beispielsweise gezielte Wiesenpflegeprojekte unterstützt oder bedrohte Arten geschützt. Ebenso gehört dazu aber auch eine Bestandsaufnahme der Kulturlandschaftselemente und das Festhalten der historisch gewachsenen Landschaft, wie sie in der Projektreihe „Historische Kulturlandschaft Rhön“ vorgenommen wurde. Denn nur wenn man weiß, was da ist, kann man auch bei Entwicklungsplänen auf den Schutz und die Erhaltung Acht geben.
Methodik und Aufbau der Bände
Der Aufbau und die Methodik der Kulturlandschaftsinventarisierung in der Projektreihe stützen sich auf eine von Thomas Gunzelmann, Armin Röhrer und Thomas Büttner entwickelte Vorgehensweise. In allen bisher bearbeiteten Gemeinden wurde nach der Methode vorgegangen, die Bände sind nach dem gleichen Schema aufgebaut.
Zunächst werden die Naturvorgabe (Geologie, Klima, Böden, Gewässernetz) und ein Überblick über die Nutzungsgeschichte erarbeitet. Die Landnutzung um das Jahr 1850 wird mit der heutigen verglichen, wobei die historische Dorf- und Flurstruktur, historische Flächennutzungen und das historische Verkehrsnetz analysiert werden. Darauf folgt die Erfassung, Beschreibung und Bewertung von historischen Kulturlandschaftselementen.
In einer Gesamtschau wird erklärt, wie die Landschaftsbausteine untereinander vernetzt sind und welche Zusammenhänge zwischen natürlichen Vorgaben und prägenden Kulturfaktoren bestehen.
Abschließend werden Ziel- und Maßnahmenvorschläge für zukünftige Dorfentwicklungsprojekte und die Bauleitplanung abgeleitet. Die Autoren weisen hier unter anderem auf sehr wertvolle Landschaftsbereiche und historische Kulturlandschaftselemente hin.
Die Ergebnisse werden in einer Datenbank, auf verschiedenen Karten und Fotos sowie in einem Bericht festgehalten.
Für die Kulturlandschaftsanalyse wird sowohl in orts- und regionalkundlicher Literatur, im Internet und in Archiven recherchiert als auch der Bestand bei Geländebegehungen aufgenommen. Ergänzend wird in jedem Ort ein „Rat der Weisen“ berufen, welcher sich aus ortskundigen Bürger-/innen zusammensetzt, die oft Geschichten und Informationen überliefern können, die bisher nicht schriftlich festgehalten wurden.