Projekt Green Care – Wissenschaftlicher Hintergrund

Der Mensch ist Teil der Natur und fühlt sich mit ihr auch genetisch verbunden. Dies wird bereits in der „Biophilia-Hypothese“ von Edward Wilson und Stephen Kellert postuliert (Wilson, 1984; Kellert & Wilson, 1993). Damit birgt Naturkontakt ein hohes Potenzial für die menschliche Gesundheit (z.B. Cox at al., 2017). Entsprechend haben das Erleben von Natur, Achtsamkeit in der Natur oder auch die Verbundenheit mit ihr einen positiven Einfluss auf das eigene biopsychosoziale Wohlergehen. Dies bestätigen viele Einzelstudien (Howell & Passmore, 2013; Kals, Schumacher & Montada, 1999; McMahan & Estes, 2015; Sandifer, Sutton-Grier & Ward, 2015), die in Überblicksarbeiten zusammengefasst wurden (Kals, 2014).

Zudem fördert das bewusste Erleben der Natur die Aktivierung naturschützender Normen und Werte sowie entsprechende naturschützende Handlungsbereitschaften und Engagements (Müller, Kals & Pansa, 2009; Müller, Maier & Kals, 2013). Dies ist ganz besonders der Fall, wenn das Erleben von Natur gemeinsam mit bedeutsamen Anderen, wie Familie, Freunde etc. stattfindet (Kals & Müller, 2014; Kals, Schumacher & Montada, 1998). In entsprechenden Natur- und Wildnisangeboten wird genau dieses Erleben von Natur angeleitet und begleitet, weshalb sich diese Angebote als vielversprechende neue Ansätze entwickeln (zum Überblick: Petzold, Ellerbrock & Hömberg, 2019).

Zu diesen Angeboten zählte auch das Projekt „GreenCare - Natur und psychische Gesundheit“, das in den UNESCO-Biosphärenreservaten Rhön sowie Berchtesgadener Land durchgeführt wurde. Insbesondere in Biosphärenreservaten, in denen die Wechselwirkung zwischen Natur und Mensch im Fokus steht und die als Modellregionen für nachhaltige Regionalentwicklung dienen sollen, ist eine Verbindung der förderlichen Effekte auf das biopsychosoziale Wohlbefinden mit der Entwicklung von naturschutzrelevanten Werten von besonderem Interesse.

Korrigierend und präventiv

So sprechen theoretische Überlegungen und die vorhandenen empirischen Daten gleichermaßen dafür, dass sich positive Erfahrungen mit der Natur förderlich auf die biopsychosoziale Gesundheit und auch auf naturschützende Engagements auswirken. Dabei ist hier bewusst von „biopsychosozialer“ Gesundheit die Rede, um dem Konzept der Gesundheit in seinem ganzen Umfang Rechnung zu tragen, der die körperlich-biologische, die psychische und die soziale Dimension umfasst. Zugleich steht dies in Einklang mit dem Ziel der Angebote, sowohl korrigierend als auch präventiv zu wirken, indem die Angebote erlebnis-, ressourcen- und handlungsorientiert ausgerichtet ist.

Um zu überprüfen, inwiefern die theoretisch und empirisch zu erwartenden Zielsetzungen durch die Natur- und Wildnisangebote auch tatsächlich erreicht werden, wurde das Projekt „GreenCare - Natur und psychische Gesundheit“ dreieinhalb Jahre wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Gemeinsam wurde damit ein Beitrag zur Schließung wissenschaftlicher Erkenntnislücken über die spezifische Wirksamkeit von Naturerleben geleistet und die Reputation von Natur- und Wildnisangeboten sowie die Verbreitung naturschützender Werte gestärkt.

Begleitung

Die Begleitforschung erfolgte durch das Evaluationsteam der Professur für Sozial- und Organisationspsychologie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt unter der Leitung von Prof. Dr. Elisabeth Kals und PD Dr. Markus Müller und unter Mitarbeit von Frau M.Sc. Patricia Zieris. Im Zentrum der Forschung stand dabei die Untersuchung der Wirksamkeit der Intervention auf die psychische Gesundheit und die naturbezogenen Haltungen der Teilnehmenden.

Die zentralen Fragestellungen des Forschungsvorhabens waren:

  • Können positive Effekte des naturgestützten Interventionsangebots, auf gesundheits- und naturbezogene Variablen mittels eines experimentellen Designs statistisch aufgezeigt werden?
  • Inwiefern lassen sich mögliche Effekte als stabil und somit langfristig nachweisen?

Das Untersuchungsdesign umfasste zum einen eine mehrmalige Befragung der Interventionsteilnehmenden mittels Fragebogen; zum anderen die Durchführung von halbstandardisierten Interviews mit den Interventionsleitenden. Hierbei wurden sowohl gesundheitsbezogene als auch naturbezogene Variablen gleichermaßen erhoben. So wurden die Teilnehmenden u.a. hinsichtlich ihrer emotionalen Befindlichkeit, ihrer allgemeinen und naturbezogenen Achtsamkeit, ihrer emotionalen Verbundenheit mit der Natur sowie und ihrer naturschützenden Bereitschaften Verhaltensweisen befragt. In den Interviews wurden diese Konzepte vertieft und u.a. durch Konstrukte der Organisationspsychologie und das Thema der subjektiven Wirksamkeit ergänzt.

 

Cox, D. T., Shanahan, D. F., Hudson, H. L., Plummer, K. E., Siriwardena, G. M., Fuller, R. A., ... & Gaston, K. J. (2017). Doses of neighborhood nature: The benefits for mental health of living with nature. BioScience, 67(2), 147-155.

Howell, A. J. & Passmore, H.-A. (2013). The nature of happiness: nature affiliation and mental well-being. In C. L. M. Keyes (ed.), Mental well-being: international contributions to the study of positive mental health. Dordrecht: Springer. DOI 10.1007/978-94-007-5195-8_11

Kals, E. (2014). Affective connection to nature. In A. C. Michalos (Ed.), Encyclopedia of quality of life and well-being research (pp. 83-88). Dordrecht, Netherlands: Springer.

(eReference: www.springer.com/authors/book+authors/helpdesk.

Kals, E. & Müller, M. M. (2014). Education for sustainability. In L. Nucci, D. Narvaez & T. Krettenauer (Eds.), Handbook of moral and character education (pp. 471-487). London; New York: Routledge.

Kals, E., Schumacher, D. & Montada, L. (1998). Naturerfahrungen, Verbundenheit mit der Natur und ökologische Verantwortung als Determinanten naturschützenden Verhaltens. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 29, 5-19.

Kals, E., Schumacher, D. & Montada, L. (1999). Emotional affinity toward nature as a motivational basis to protect nature. Environment & Behavior, 31 (2), 178-202.

Kellert, S. R. & Wilson, E. O. (eds.) (1993). The biophilia hypothesis. Washington, DC: Island Press.

McMahan, E.A. & Estes, D. (2015). The effect of contact with natural environments on positive and negative affect: A meta-analysis. Journal of Positive Psychology, 10, 507-519. doi.org/10.1080/17439760.2014.994224

Müller, M., Kals, E. & Pansa, R. (2009). Adolescents´ emotional affinity towards nature: A cross-societal study. Special issue: children and nature. Journal of Developmental Processes, 4, 59-69.

Müller, M. M., Maier, K. & Kals, E. (2013). Klimaschützendes Handeln im Haushalt: Die Rolle von emotionaler Bindung an die Natur. Umweltpsychologie, 17(1), 60-73.

Petzold, H. G., Ellerbrock, B. & Hömberg, R. (2019). Die Neuen Naturtherapien. Bielefeld: AITHESIS Verlag.

Sandifer, P. A., Sutton-Grier, A. E. & Ward, B. P. (2015). Exploring connections among nature, biodiversity, ecosystem services, and human health and well-being: Opportunities to enhance health and biodiversity conservation. Ecosystem Services, 12, 1-15.

Wilson, E. O. (1984). Biophilia. Cambridge: Harvard University Press.