Gebäude und Wohnen in der Rhön
In ganz Deutschland leben die Menschen hinsichtlich der beanspruchten Wohnfläche immer großzügiger: Die bewohnte Fläche pro Einwohner ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Im Jahr 2014 hatte im Durchschnitt jeder Rhöner 49,6 Quadratmeter Wohnfläche – was fast 5 Quadratmeter mehr sind als der Bundesdurchschnitt.
In der Gesamtschau fällt auf, dass in Thüringendie Wohnflächen kleiner sind. Außerdem haben die eher peripher gelegenen Gemeinden in Hessen und Bayern, wie Poppenhausen, Nordheimoder Sondheim v.d. Rhön (mit dem Spitzenwert von 58 Quadratmeter/ Einwohner) fast doppelt so viel Wohnfläche wie Gerstengrund in Thüringen, wo jeder Einwohner im Schnitt 31 Quadratmeter zur Verfügung hat.
Betrachtet man die Entwicklung seit 2008 genauer, dann fällt auf, dass in fast allen Gemeinden die Wohnfläche pro Einwohner gestiegen ist. Besonders stark war dies beispielsweise in Hohenroda(von 50,27 auf 57,85 Quadratmeter), inBastheim (von 39,69 auf 51,66 Quadratmeter) oder Unterkatz(von 36,45 auf 46,79 Quadratmeter) der Fall.
Handlungsbedarf wegen Leerstands
Die individuellen Ansprüche an Wohnraum sind gestiegen und lassen sich in der Rhön aufgrund der geringeren Bodenpreise leichter erfüllen, als dies in den Ballungsräumen der Fall ist. Darüber hinaus erfolgt eine Anpassung des Immobilienbestandes an die sich aufgrund des demografischen Wandels ändernden Bedürfnisse nur verzögert – das heißt auf Wegzug der jüngeren Generation wird nicht unmittelbar mit Rückbau reagiert. Leerstand und Wertverfall von älteren Häusern in zentraler Lage sind die Folge. Eine Konsequenz des demografischen Wandels ist ferner, dass im ländlichen Raum durch den Tod des Lebenspartners immer mehr Wohnungen und Häuser, die ursprünglich für Mehrpersonenhaushalte gebaut wurden, lediglich von einer Person bewohnt werden. Auch dies treibt die statistische Wohnfläche je Einwohner und das Leerstandsrisiko bei Tod oder Pflegebedürftigkeit des einzigen Bewohners in die Höhe. Der wahrgenommene Leerstand war auch ein großes Thema bei den Teilnehmern der Online-Umfrageder drei UNESCO-Biosphärenreservates-Verwaltungsstellen (BRRV 2016). Besonders innerhalb der Ortskerne kleinerer Orte wird Handlungsbedarf, beispielsweise in Form von Unterstützung der Jüngeren bei der Sanierung alter Gebäude, gesehen.
Alter der Gebäude
Bei der Erhebung des bundesweiten ZENSUS 2011 wurde auch das Alter der Wohngebäude erfasst. Ein großer Anteil entfällt auf die Nachkriegszeit. Zwischen 1949 und 1978 wurden 25.879 Häuser in der Rhön neu gebaut. Zwar wurden zahlreiche Gebäude von ihren Besitzern immer wieder renoviert, allerdings ist davon auszugehen, dass gerade bei den Gebäuden aus dieser Zeit ein erheblicher Sanierungsbedarf vorliegt. Hinzu kommt, dass Baustil und die verwendeten Baumaterialien dieser Zeit häufig nicht mehr dem aktuellen Geschmack bzw. Stand der Technik entsprechen, so dass oft der Wunsch entsteht, neue Gebäude am Ortsrand zu errichten. Somit kommt es zu Leerständen im Ortskern, die in einer Pilotstudie zur Innenentwicklung am Beispiel des Landkreises Bad Kissingen bereits 2009 erfasst wurden.
In vielen Neubaugebieten der 1960er und 1970er Jahre bauten Menschen einer Alterskohorte relativ zeitgleich ihre Häuser; es fand keine Altersdurchmischung wie im Ortskern statt. Dies führt heute dazu, dass diese Siedlungen inzwischen nahezu durchgängig von Senioren bewohnt werden und damit ganze Straßenzüge in naher Zukunft vom Leerstandsrisiko betroffen sind.
Initiativen in der Rhön
Die Landkreise Rhön-Grabfeld und Bad Kissingen haben Onlineportale eingerichtet, um Baugrundstücke und (Leerstands-) Immobilien im Ortskern zielgerichtet zu vermarkten. Im Wartburgkreis sind ähnliche Initiativen im Gespräch.
Das Projektmanagement ,Mitten im Ort' des Landkreises Bad Kissingen wird seit 2015 für drei Jahre gefördert, um „für das Leben in der Ortsmitte zu begeistern. Die Innenentwicklung gibt dem Bauen in der Ortsmitte Vorrang vor dem Bauen in den außen liegenden und die Landschaft zersiedelnden Neubaugebieten. Sie sorgt für den flächensparenden und nachhaltigen Umgang mit unserer Lebensgrundlage ‚Boden‘. Langfristiges Ziel ist es, zusammen mit anderen Projekten einen generationenfreundlichen Landkreis zu schaffen, dessen Ortsmitten aufgrund ihrer Funktionsvielfalt und Altersstrukturen einen attraktiven Wohn-, Arbeits- und Erholungsstandort darstellen. Die Ortsmitte soll dabei eine Alternative zu den Neubaugebieten sein."
Außerdem widmen sich die Managements der interkommunalen Allianzen, die im bayerischen Teil des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön eingerichtet sind, schwerpunktmäßig der Aufgabe Innenentwicklung. Die Kreuzbergallianz hat beispielsweise eine eigene Broschüre zur Innenentwicklung herausgegeben. Beispielhaft sind ebenso die Förderprogramme zur Revitalisierung der Alt-/ Innenorte, die es etwa in den Allianzen Kissinger Bogen, Fränkisches Saaletal, Kreuzbergallianz und der Brückenauer Rhönallianz gibt.
Zum Transfer von Know-how hatte das Innenentwicklungsmanagement des Landkreises Rhön-Grabfeld 2015 die Messe „So wird saniert!“ in Rödles veranstaltet. Das Konversionsmanagement des Landkreises Bad Kissingen widmet sich mit vielfältigen Aktivitäten der von der rückläufigen Nutzung durch die Bundeswehr betroffenen Standorte Wildflecken und Hammelburg. Vom Landkreis Fulda wurde in Kooperation mit den Kommunen (2016/2017) der Leerstand erfasst. Seit 2009 hat der Landkreis Fulda ein eigenes Programm zur Wiederbelebung leerstehender Gebäude in sanierungsbedürftigen Ortskernen von Gemeinden aufgelegt.
Thema in LEADER-Gruppen
In allen Teilregionen des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön spielt die Zunahme an Leerständen und die Verödungsproblematik eine Rolle. Dies spiegelt sich unter anderem darin wieder, dass die aktuellen LEADER-Regionalentwicklungskonzepte (sieben lokale Aktionsgruppen bearbeiten das Gebiet des UNESCO-Biosphärenreservates Rhön) diese Thematik aufgreifen und Projekte einfordern. Der Verein Natur- und Lebensraum Rhön e. V. hat seit 2006 ein eigenes Fachforum Demografischer Wandel, welches sich u. a. wiederholt mit Fragen des Leerstandes und Strategien zur Belebung der Ortskerne auseinandersetzt. Im Zuge dieser Aktivitäten konnten inzwischen einige LEADER-Projekte zur Revitalisierung von Leerständen angestoßen werden.
Bezüglich AAL-Systemen (Altersgerechte Assistenzsysteme für ein gesundes und unabhängiges Leben) und Angeboten für ein selbstbestimmtes Leben im Alter entstand 2014 für Landkreis und Stadt Fulda ein AAL-Netzwerk, bestehend aus Architekten, Handwerksbetrieben, IHK, kommunalen Vertretern etc. Mit LEADER-Mitteln wurde in Weyhers ein Gebäude modellhaft mit Assistenzsystemen ausgerüstet, welches die Funktion eines Musterhauses wahrnimmt. Über Expertise zu (historischem) regionaltypischem Bauen verfügen die Landesämter für Denkmalpflege, die Beratungsstelle für Handwerk und Denkmalpflege in Fulda Johannisberg und örtliche Museen, beispielsweise das Fränkische Freilandmuseum Fladungen. Die auf Landesebene ausgeschriebenen Wettbewerbe „Unser Dorf hat Zukunft“nehmen das Thema Innenentwicklung in den Fokus.
Ziel der hessischen Landesregierung ist deshalb die Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit in Verbindung mit einer nachhaltigen Innenentwicklung der Städte und Gemeinden. […] Das Entwicklungsziel lautet deshalb: ‚Innenentwicklung geht vor Außenentwicklung‘, da die Nutzung der Bausubstanz und der Infrastruktur in den Kerngebieten vieler Dörfer nicht mehr dauerhaft gesichert ist. Um eine nachhaltige Innenentwicklung zu ermöglichen, sollte eine kommunale Gesamtstrategie für Investitionen in die Kernbereiche der Kommunen entwickelt und der Verzicht auf weitere Baulandausweisungen festgeschrieben werden.