Green Care – Natur und psychische Gesundheit

Die positive Wirkung der Natur nutzen, um psychischen Erkrankungen entgegenzuwirken: Wie das funktionieren kann, wurde im Projekt Green Care gezeigt. In dem Forschungsprojekt wurde ein naturbasiertes Angebot entwickelt und erprobt. Parallel wurde wissenschaftlich untersucht, inwiefern sich die entwickelten Methoden eignen, um die psychische Gesundheit zu fördern. Dabei wurden ausgewählte Bereiche der Natur- und Kulturlandschaft genutzt, um Menschen mit psychischen Erkrankungen unter fachlich qualifizierter Anleitung positive Naturbegegnungen zu ermöglichen.

Studien haben gezeigt, dass sich eine intensive Beziehung zur Natur positiv auf die Gesundheit auswirken kann – und zwar sowohl physisch als auch psychisch. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten einen positiven Effekt im Aufenthalt in der Natur: Die Aufmerksamkeitsfähigkeit nach Belastung und Anstrengung kann wiederhergestellt, und Selbstwertgefühl und Schlafqualität können verbessert werden.

Keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit. Für den einzelnen Bürger ist die psychische Gesundheit eine Voraussetzung dafür, dass er sein intellektuelles und emotionales Potenzial verwirklichen und seine Rolle in der Gesellschaft (…) finden und erfüllen kann.

Europäische Kommission, 2005

In einem naturbasierten Entspannungsangebot wurden verschiedene Möglichkeiten, sich in der Natur mit der Natur zu beschäftigen und der gegenwärtigen Naturentfremdung entgegenzuwirken, ausprobiert und gemeinsam besprochen. Dazu gehörte beispielsweise das Fährtenlesen, bei dem Tierspuren heimischer Wildtiere entdeckt und interpretiert werden können. Im Fokus stand dabei das unmittelbare und achtsame Erleben von Natur mit unterschiedlichen Sinnesmodalitäten.

Die bewusste Wahrnehmung von Natur und Naturphänomenen im Hier und Jetzt – ohne Zeit- und Leistungsdruck – waren, angelehnt an Achtsamkeitsübungen aus der MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction), zentrale Bestandteile des Angebots. Die Übungen verfolgten dabei das Ziel, die Entspannungsfähigkeit zu erhöhen und dadurch zu größerer Flexibilität im Umgang mit persönlichen Herausforderungen und Schwierigkeiten zu gelangen. Auch die körperliche Aktivierung, Bewegungskoordination und soziale Kompetenz werden gefördert. Ebenso können die Übungen auch positive Effekte auf kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis haben.

Das naturbasierte Entspannungsangebot umfasste Übungen, die der Wildnispädagogik entliehen sind und auch in der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) und der Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie (MBCT) Anwendung finden. Gemäß dem Anspruch, Natur und Landschaft nachhaltig und naturverträglich nutzen zu wollen, war es bei der Entwicklung des Angebots ein großes Anliegen, dass die Natur nicht nur als bloße Kulisse genutzt wird. Die Natur wurde aktiv als Gegenstand in Achtsamkeits- und Wahrnehmungsübungen mit einbezogen.

Das naturbasierte Angebot richtet sich an Menschen mit depressiven Erkrankungen. Kooperationspartner für das Projekt war die Psychosomatische Klinik des Rehabilitationszentrums Bad Bocklet. Seit Oktober 2020 wurde das Angebot in zwei Formaten mit Rehabilitandinnen und Rehabilitanden der Psychosomatik des Rehabilitationszentrums Bad Bocklet durchgeführt und mittels Fragebogenerhebungen evaluiert.

In der Experimentalgruppe wurde dabei einer geschlossenen Gruppe von sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein vierwöchiges naturbasiertes Entspannungsangebot ermöglicht, das einmal wöchentlich am Vormittag für jeweils vier Stunden stattfand. Die Teilnehmenden der Kontrollgruppe erhielten als Dankeschön für ihre Bereitschaft zum Ausfüllen der Fragebögen ein einmaliges naturbasiertes Gruppenangebot.

Angeleitet wurden beide Formate des Angebots durch die Projektmitarbeiterin und Psychologin Katharina Thümer und den Ranger und Wildnispädagogen Maik Prozeller (beide Bayerische Verwaltung UNESCO-Biosphärenreservat Rhön). Zusätzlich wurde das Angebot von einer Psychologin des Rehabilitationszentrums begleitet.

Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt durch Frau Prof. Dr. Elisabeth Kals, Lehrstuhlinhaberin für Sozial- und Arbeitspsychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, und ihrem Team. Dabei wurde die Wirksamkeit des Angebots auf die psychische Gesundheit sowie naturbezogenen Haltungen der Teilnehmenden evaluiert, um die Zusammenhänge zwischen Naturerfahrungen und der psychischen Gesundheit aufzudecken. Ebenfalls wurde untersucht, inwieweit sich naturschützende Einstellungen und Werte durch das entwickelte Angebot fördern lassen.

Die Förderung der psychischen Gesundheit durch Einbindung von naturbasierten Therapie- und Präventionsangeboten liegt im UNESCO-Biosphärenreservat Rhön nahe: Gemäß dem UNESCO-Programm MAB steht in Biosphärenreservaten die Wechselwirkung von Mensch und Natur im Fokus.

Seit Jahrhunderten nutzen Menschen die Kurorte Bad Bocklet, Bad Kissingen, Bad Neustadt und Bad Brückenau, um Erholung und Gesundheit zu erlangen. Das Projekt „Green Care: Natur und psychische Gesundheit“ setzte seit November 2018 eine im Rahmenkonzept des Biosphärenreservats formulierte Idee um.

Das Projektteam UNESCO- Biosphärenreservat Rhön bedankt sich bei allen Teilnehmenden der naturbasierten Entspannungsangebote!

2023: Aktueller Stand

Die Ergebnisse des GreenCare-Projektes sollen in einem 3-Jährigen Anschlussprojekt, beginnend 2024, in der Region verankert werden, indem Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im therapeutischen Bereich und im Präventivbereich ausgebildet werden sollen.

Der Abschlussbericht sowie die Broschüre finden Sie im Downloadbereich auf dieser Seite.